Islands Hauptstadt weckt bei vielen vermutlich Bilder von Wind, Regen und Schnee. Nicht weit gefehlt, schließlich handelt es sich um die nördlichste Hauptstadt der Welt. Wir haben Reykjavik im Winter besucht und finden, das ist eine ganz wunderbare Idee. Zwar lohnt sich ein Besuch in der knapp 140.000 Einwohner:innen zählenden Stadt immer. Aber Reykjavik ist definitiv eine typische Winterstadt und entfaltet ihren Charme ganz besonders, wenn es lange dunkel und kalt draußen ist. Gerade dann lassen die vielen Lichter die warmen Läden und schnuckeligen Cafés besonders schön aussehen. Drei bis vier Tag reichen aus, um Reykjavik im Winter kennenzulernen.
Island (fast) ganz privat
Ein großer Vorteil der winterlichen Reisezeit sind definitiv die zu erwartenden Besuchermengen. Während Island nämlich in den letzten Jahren ein massives Wachstum im Tourismusbereich erlebt hat – vor Ausbruch der Corona-Pandemie bis zu 2,5 Millionen Tourist:innen pro Jahr – besuchen die meisten Reisenden das Land aus Feuer und Eis im Sommer.

Zwar sind die Tage um Weihnachten und Silvester – wie überall – stärker nachgefragt, im restlichen Dezember sowie in den Monaten Januar, Februar und März könnt ihr Island allerdings fast ganz privat entdecken. Wir haben Island bei unserem ersten Besuch mitten im Corona-Lockdown wirklich gespenstisch leer erlebt, standen vor verschlossenen Museen und Restaurants und waren an jeder Top-Sehenswürdigkeit ganz alleine. Und wer stundenlang über abgelegene Schotterstraßen fährt, weiß mitunter die Begegnung mit einem anderen Auto irgendwann sehr zu schätzen. Ganz alleine ist also auch nicht ideal – von daher schien uns Reykjavik im Winter ein idealer Mittelweg zu sein.

Mehr Auswahl zu besseren Preisen
Ein weiterer Nebeneffekt dieser Reisezeit sind die angenehmeren Preise für Unterkünfte und Touren. Im Sommer steigen die Raten für einfache Unterkünfte schnell über 200 Euro pro Nacht. Auch alle Aktivitäten werden signifikant teurer. Wer im Winter reist, hat die freie Wahl, denn nur wenige Hotels oder Pensionen sind ganz ausgebucht.

Unser Tipp für Reykjavik: das Freya Guesthouse
Wir haben zum Beispiel für bezahlbare 112 Euro pro Nacht im Doppelzimmer im wunderschönen Freyja Guesthouse direkt an der Hallgrímskirkja übernachtet. In den geteilten Badezimmern und Küchen waren wir immer ungestört. Das Guesthouse hat außerdem eine wunderschöne Viewing Lounge unter dem Dach, die bei den langen dunklen Abenden ein idealer Aufenthaltsort zum Lesen, Spielen und Fernsehen ist – atemberaubende Blicke auf die Hallgrimskirche und das Feuerwerk zum Jahresbeginn und an Epiphanias inklusive. Da wir unseren Mietwagen für den anschließen Roadtrip schon am Flughafen abgeholt hatten, fanden wir kostenlose Parkplätze direkt vor dem Guesthouse.

Drei Highlights an drei Tagen
An drei vollen Wintertagen könnt ihr die isländische Hauptstadt gut erkunden. Alle Sehenswürdigkeiten liegen maximal ein paar Kilometer voneinander entfernt und sind selbst bei eisigen Minusgraden und dem für Island typischen Wind bequem zu Fuß zu erreichen. Beginnen solltet ihr mit einem Spaziergang über die Laugavegur, Reykjaviks Einkaufsstraße und in großen Teilen eine Fußgängerzone. Von der Hallgrímskirkja, die immer unser Ausgangspunkt war, könnt ihr entweder die Skólavörðustígur nach unten laufen und dort die Rainbow Street bestaunen oder die Frakkastígur entlangbummeln, bis ihr die Laugavegur erreicht.

Dieser Weg führt vorbei an der Bäckerei Brauð & Co., die wir kein einziges Mal passieren konnten, ohne mindestens ein leckeres Teilchen zu kaufen. Empfehlenswert sind am Wochenende die vegane Zimtschnecke (isländisch: Kanilsnúður) oder das vegane Croissant. Folgt ihr der Frakkastígur über die Laugavegur hinaus bis ans Meer, steht ihr schon vor dem Sun Voyager. Diese Skulptur erinnert an ein Wikingerschiff und die Sonnenfahrt.

Harpa und Hafen
Folgt ihr der Küste nach Westen, seht ihr in siebenhundert Metern Entfernung das neuste Wahrzeichen Reykjaviks, die 2011 eröffnete Harpa. Das Konzerthaus der Stadt liegt direkt am Hafen. Der eindrucksvolle moderne Glasbau, dessen Fassade von Ólafur Elíasson gestaltet wurde, beherbergt die Oper und das Sinfonieorchester. An eisigen Tagen bietet es außerdem einen guten Zufluchtsort zum Aufwärmen und Pausemachen. Von der Harpa ist es dann wieder nur ein Katzensprung an das untere Ende der Laugavegur mit ihren Shops, Cafés, Bars und Restaurants. Wer weiter Richtung Westen läuft, kommt an den Hafen und kann Attraktionen wie das Maritim-Museum oder Whales of Iceland erkunden.

Vom Parlament an den Stadtsee
Am Ende der Laugavegur erwartet euch eines der wenigen historisch anmutenden Gebäude Reykjaviks: das Alþingishúsið, der Sitz des isländischen Parlaments. Inzwischen wird an einem großen modernen Neubau im nordischen Stil in direkter Nähe gearbeitet. Hinter dem Alþingishúsið mit seinem kleinen Park liegt das Rathaus und dahinter der Tjörnin, der Stadtsee mit schönem Blick über die Stadt. Wer Glück hat, findet diesen Reykjavikurtjörn im Winter als perfekte Eisfläche vor, auf der spaziert werden kann. Ein tolles Erlebnis, weil das Gehen auf zugefrorenem Wasser für uns Deutsche meist nur eine Kindheitserinnerung ist.

Für Begeisterte der nordischen Kunst hat Reykjavik natürlich auch einiges zu bieten: Angefangen bei der isländischen Nationalgalerie (Listasafn) bis hin zum Nationalmuseum (Þjóðminjasafn) und dem Museum für das kulturelle Erbe Islands (Þjóðmenningarhúsið), ist auch für regnerische Tage vorgesorgt.
Und im Winter können sogar über der Hauptstadt Nordlichter gesichtet werden (Wir hatten das Glück). Wer Reykjavik im Winter erkundet, kann also schon einmal in die Stadt schnuppern, um vielleicht bald zurückzukehren. Das könnte zum Beispiel ein Island-Roadtrip im September sein.