Der pazifische Nordwesten Nordamerikas ist eine faszinierende Region, die sich für einen Rundreise anbietet. Zur Erkundung der drei Nationalparks North Cascades, Mount Rainier und Olympic haben wir einen Roadtrip durch den Pazifischen Nordwesten geplant. Mit einem Tesla Model Y haben wir durch US-State Washington unseren zweiten Roadtrip mit einem Elektroauto unternommen und waren wieder begeistert. Wie es uns beim ersten Mal erging, könnt Ihr in unserem Bericht Mit dem Tesla Model Y durch Florida nachlesen.
Ausgangspunkt unserer Reise war Vancouver. Das hatte aber vor allem preisliche Gründe, weil zum Zeitpunkt der Buchung die Anreise nach Kanada günstiger war als nach Seattle. Beginnen könnt Ihr den Roadtrip allerdings genauso gut von Seattle aus.

Start am Meer
Von Vancouver aus führt der Highway nach Washington nah am Ozean vorbei und beschert erste Ausblicke auf den Pudget Sound. Mit dem Auto ist die Einreise in die USA unserer Erfahrung nach viel angenehmer als an einem internationalen Flughafen. Die Schlangen sind kürzer und das ganze Procedere dauert oft nur einige Minuten. Nach dem Grenzübertritt ist es noch eine gute Stunde Fahrt bis nach Anacortes, einem kleinen Hafenstädtchen direkt am Meer. Auf dem Weg bietet sich bei gutem Wetter auch erstmal ein klarer Blick auf den 3.286 Meter hohen, ganzjährig schneebedeckten Gipfel des Mount Baker. In Anacortes angekommen, haben wir erst mal die Lage direkt am Wasser genossen. Die vielen kleinen Inseln, die San Juan Islands, die nur teilweise zu sehen sind, schaffen eine ganz besondere Atmosphäre.

Im Land der Orcas
Am besten lassen sich diese Welt und die darin lebenden Tiere natürlich vom Wasser aus erleben. Anacortes ist nicht umsonst ein berühmter Hafen für Walbeobachtungstouren, auf denen Orcas und weitere Meeressäuger gesehen werden. Auch wir haben eine solche Tour gebucht und können Outer Island Excursions nur empfehlen. Die freundliche Crew hat das Boot bei gutem Wetter zu drei Orcas geführt, die wir über eine halbe Stunde lang ausgiebig und so nah wie möglich beobachten konnten. Spannendes Wissen über diese besonderen Tiere gab es dazu. Auf der Fahrt haben wir außerdem an den Seal Rocks unzählige Seehunde und Stellersche Seelöwen beobachten sowie zahlreiche Vögel können. Der ein oder andere Schweinswal (Porpoise) war auch zu sehen.
Das kleine Juwel Anacortes
Die kleine Hafenstadt Anacortes hat uns so gut gefallen, dass wir noch ein paar Zeilen schreiben wollen. Während amerikanische Städte im Allgemeinen selten zum gemütlichen Bummeln einladen, wollten wir Anacortes gar nicht mehr verlassen. Da ist der Pelican Books Store mit einem gemütlichen Café, der einer der schönsten Buchläden Amerikas ist. Räume voller Holzregale, die bis an die Decke reichen, und gemütliche Sessel um einen Kamin laden zum Verweilen ein. Und auf dem Weg durch die Stadt sind uns einige Rehe (Black Tailed Deer) mit ihren Kitzen begegnet.

In den amerikanischen Alpen
Von Anacortes aus ist es nur ein zweieinhalbstündiger Trip bis nach Diablo, tief in den North Cascades. Den letzten Tesla-Ladestop in Burlington haben wir auch zum Auffüllen unserer Vorräte genutzt. Die nächsten Nächte sollten wir nämlich nicht mehr in einem schnuckeligen AirBnB mit Whirlpool und der Aussicht auf den Pudget Sound, sondern im Zelt verbringen. Nicht ganz so bequem, aber mindestens genauso romantisch. Auch den Brennspiritus für unseren neuen Trangia Sturmkocher haben wir in Burlington bei Home Depot beschafft. Was es damit auf sich hat, lest Ihr in unserem Bericht über den Trangia nach.

Da Teile des North Cascades National Parks von Waldbränden betroffen waren, haben wir unseren Schlafplatz spontan gewählt. Aufgrund der shoulder season, die in vielen Nationalparks in den USA nach dem Labor Day (erster Montag im September) beginnt, konnten sowieso keine Reservierungen mehr vorgenommen werden. Übernachtet haben wir zwei Nächte auf dem Newhalem Creek Campground nahe dem einzigen Visitor Center des Parks. Noch malerischer gelegen ist der Colonial Creek Campground. Allerdings war der von direkter Raucheinwirkung betroffen. Eine gewisse Flexibilität ist immer von Vorteil, nicht nur auf einem Roadtrip durch den Pazifischen Nordwesten.

Wandern in der subalpinen Zone
Die Klimazonen eines Gebirges hautnah erkunden? Das geht im North Cascades Nationalpark ganz wunderbar. Und auch, wenn sich für uns europäische Besucher:innen die amerikanischen Alpen nur wie ein Abklatsch der eigenen anfühlen mögen – etwas lernen konnten wir trotzdem. Insbesondere über die ganz andere Art der Waldbewirtschaftung oder über den positiven Einfluss von Bären auf das Ökosystem. Beispielsweise passen sich die Tiere den Folgen der Klimakatastrophe viel besser an als vermutet. Empfehlen können wir neben den kurzen Wanderwegen um das Visitor Center auf jeden Fall den Blue Lake Trail. In knapp zweieinhalb Stunden führt ein schöner Weg erst durch den alten Wald und dann bergauf in die subalpine Zone zu einem malerischen Bergsee. Den Trailhead erreicht Ihr über den North Cascades Highway. Die Passstraße ist nur zwischen Mai und Oktober geöffnet und bietet atemberaubende Ausblicke auf die Amerikanischen Alpen.



Strom für Seattle
Übrigens liegen die formalen Grenzen des National Parks außerhalb der Straßen und meisten kurzen Wanderwege. Geschützt sind die Flächen dennoch durch die Ross Lake National Recreation Area.
Der kleine Ort Newhalem ist berühmt für sein Wasserkraftwerk, das den Strom für Seattle produziert. Sehenswert ist das Powerhouse tatsächlich, um das ein kleiner Garten zu einem Wasserfall führt. Jeden Abend illuminiert eine Lightshow den Ziergarten. Durch den kleinen Ort, in dem es eine Ladesäule für Elektroautos gibt, lohnt außerdem ein Bummel über den wilden Skagit River.

In den Wäldern des Mount Rainier
Von Newhalem aus führt uns unser Roadtrip durch den Pazifischen Nordwesten nach Süden, vorbei an Seattle und Tacoma und nach einigen Stunden Autobahn auch endlich wieder in die Ruhe der Natur. Wir verbringen die nächsten vier Nächte im Mount Rainier National Park. Der 4.392 Meter hohe Schichtvulkan ist der höchste Berg der Kaskaden und des Bundesstaates Washington. Er ist definitiv eine Ikone in der Landschaft! Der Rainier ist mit 29 Gletschern der vereisteste Berg der USA außerhalb Alaskas und so massiv, dass er sein eigenes Wetter erzeugt. Vom Meer antreffende Luftfronten werden an den Hängen des Vulkans abgefangen. Über drei Seiten führen Straßen in den Nationalpark. In Longmire beginnt der Aufstieg nach Paradise. Am höchsten Punkt in Sunrise (1.950 Meter) könnt Ihr dem Berg auch ohne einen anstrengenden Aufstieg nahe kommen. Und am nordwestlichen Carbon River gibt es nur Hinterland-Wandermöglichkeiten ohne Service.


Im Paradies dem gefährlichen Berg so nah
Über die Serpentinen der immer enger werdenden Straße erreichen wir im tiefen Nebel Paradise in 1.647 Metern Höhe. Übernachtet haben wir im historischen Paradise Inn, einer vom National Park Service betriebenen Lodge. In der aus Baumstämmen gebauten, hohen Empfangshalle konnten wir am Abend Klaviermusik und später einem wissenschaftlichen Vortrag über den Vulkanismus am Rainier lauschen. Von einem Geologen des USGS konnten wir lernen, dass der Mount Rainier nach wie vor ein aktiver Vulkan mit enormem Zerstörungspotenzial ist. Geologische Untersuchungen der Gesteinsschichten in der ganzen Großregion bis hin zum Pudget Sound bei Seattle haben gezeigt, dass Lahars mehrere hundert Kilometer weit reichen können. Daneben sind pyroklastische Ströme eine große Gefahr.

In Paradise findet Ihr außerdem das Henry M. Jackson Memorial Visitor Center und zahlreiche Wanderwege in die alpinen Tälern des Berges. Von dort startet auch der Aufstieg zum Camp Muir, eines von zwei Basislagern für die anstrengende Besteigung des Gipfels.

Wirklich wie auf einer Postkarte
Vorbei an den Reflection Lakes, in denen das Bergmassiv bei schönem Wetter Postkartenmotive am laufenden Band zaubert, führt die nur im Sommer geöffnete Parkstraße über die Stevens Ridge dann in den Stevens Canyon im Süden. Dort lädt das Ohanapecosh Visitor Center mit einer Ausstellung über den alten, von Moos bewachsenem Wald am gleichnamigen Fluss ein. Kurze Wanderwege führen von dort aus zu Wasserfällen und den heißen Quellen von Ohanapecosh, an denen im letzten Jahrhundert sogar ein Resort stand. Im Grove of the Patriarchs lassen sich jahrhundertealte Bäume bestaunen.

In den alpinen Wiesen von Sunrise
Im Nordosten des Parks gelangt Ihr dann am White River wieder nah an den Berg. In großen Schleifen schlängelt sich die Straße bis nach Sunrise, dem höchsten mit dem Auto erreichbaren Punkt des Nationalparks. Auf knapp 2.000 Metern eröffnet sich ein spektakulärer Blick auf die Flanke des Rainier, zu dessen Linken der Litte Tahoma Seitengipfel eindrucksvoll sichtbar ist. Die Gletscher kommen den Besucher:innen beeindruckend nah. Und bei einer Wanderung ab dem Sunrise Visitor Center, zum Beispiel entlang des Grats, taucht Ihr tief in die Welt der alpinen Wiesen ein, für die Sunrise so berühmt ist.

Auf dem Rückweg aus dem Park lohnt dann noch ein Stopp in Longmire, um das kleine Parkmuseum zu besuchen. Mit dem National Park Inn besteht in Longmire neben Paradise die einzige Möglichkeit, im Park nicht im Zelt zu übernachten.


Die vulkanischen Landschaften des Mount St. Helens
Am 18. Mai 1980 ereignete sich einer der stärksten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts. Nachdem zwei Monate zuvor bereits Magma aus dem Mount St. Helens ausgetreten war, folgte am 18. Mai ein katastrophaler plinianischer Ausbruch. 57 Menschen verloren ihr Leben. Bis heute, auch über 40 Jahre nach der Naturkatastrophe, sahen wir der Landschaft ihre Vergangenheit an. Langsam erholt sich die Natur, was den Besuch der Vulkanregion lohnenswert macht. Schon 1982 wurden der Mount St. Helens und die verwüstete Umgebung zum National Volcanic Monument unter die Verwaltung des Forest Service gestellt.

Informationen und Erkunden
Ein Visitor Center informiert in einer informativ gestalteten Ausstellung über Vulkanismus und den Ausbruch von 1980. Leider ist seit einem Erdrutsch am 14. Mai 2023 die Straße zum Johnston Ridge Observatory unpassierbar, sodass der Zugang zum Mount St. Helens nur bis zum Science and Learning Center in Coldwater möglich ist. Bei einer Wanderung in den von den Schlackeflüssen vollständig veränderten Tälern um den Vulkan konnten wir die Rückkehr der Pflanzen- und Tierwelt direkt erleben. Eine eindrucksvolle Landschaft!

Die Olympic Peninsula
Nach anderthalb Wochen im Inland Washingtons führte uns unser Roadtrip in Richtung Olympic-Halbinsel und damit zurück ans Meer. Im Westen vom Pazifischen Ozean, im Norden von der Juan-de-Fuca-Straße und im Osten durch den Pudget Sound begrenzt, beherbergt die Olympic Peninsula einige der Highlights der Rundreise. Da ist einerseits die Bergkette der Olympic Mountains mit ihrem 2428 Meter hohem Mount Olympus zu erkunden. Dann gibt es die Regenwälder des Hoh Rainforerst, die malerischen Seen und Flüsse. Und natürlich die unfassbare Pazifische Nordwestküste mit ihren wilden Ständen. Geschützt wird dieses riesige Naturareal durch den Olympic National Park.

Die Erkundung des Olympic National Parks
Der Park ist gewaltig und bietet so viele unterschiedliche Regionen, dass er nicht an einem Tag entdeckt werden kann. Wir haben fünf Nächte innerhalb seiner Grenzen verbracht und hätten locker die doppelte Zeit einplanen können. Unserer Meinung nach empfiehlt sich die Route entgegen dem Uhrzeigersinn. Gestartet sind wir in Olympia, der Hauptstadt des Bundesstaates, die den südlichen Grenzpunkt der Halbinsel markiert. Direkt entlang des Pudget Sound führt der US-Highway 101 unmittelbar am Meer entlang, wo er grandiosen Ausblicke auf die Inselwelt bietet.
Am Meer in Port Townsend
Am nördlichen Ende der östlichen Küstenstraße liegt malerisch das kleine Städtchen Port Townsend mit historischen Gebäuden. Die Altstadt lädt zum Bummeln entlang der Uferpromenade ein, es gibt hübsche Läden und gute Restaurants. Wir empfehlen das hausgemachte Eis von Elevated Ice Cream Co., das für amerikanische Verhältnisse wirklich ausgefallen und lecker, allerdings auch hochpreisig ist. Lohnenswert ist außerdem der Besuch des North Beach westlich des Fort Worden Historical State Parks. Besonders zum Sonnenuntergang erwartet Euch an der Küste eine magische Atmosphäre, wenn sie untergehende Sonne die ganze Szenerie in orange-rotes Licht taucht.

Die Rundumsicht der Hurricane Ridge
Entlang der Nordküste der Olympic Halbinsel führt die 101 dann durch die Orte Sequim und Port Angeles zu einem der beiden Visitor Center des Olympic National Park. Hier lohnt bei gutem Wetter die Fahrt auf die Hurricane Ridge, einer 2.064 Meter hohen Bergkette, die spektakuläre Ausblicke auf den Mount Olympus und das Festland bietet. Wir hatten bei unserem Besuch bestes Wetter und konnten bis Victoria und zum Mount Baker blicken. Ein schöner und moderater Wanderweg ist der Hurricane Hill Trail, der bis auf den gleichnamigen Berggipfel führt. Er steigt zwar teilweise stark an, ist aber durchgehend asphaltiert und bietet dauerhaft Ausblicke auf die Berge. Oben angekommen, öffnet sich ein 360 Grad-Panorama über die Halbinsel, Vancouver Island, Washington und bis nach Kanada.

Die heißen Quellen von Sol Duc
Eine gänzlich andere Landschaft erwartet Euch, je weiter Ihr in den Westen der Halbinsel vordringt. Im Tal von Sol Duc dominieren ein hoher, alter Wald und der reißende Sol Duc River die Landschaft. Entspannen könnt Ihr in den heißen Quellen von Sol Duc im gleichnamigen Resort. Wir haben das erholsame Bad im 37 bis 40 Grad warmen Wasser der Sol Duc Springs am Morgen genossen und im Anschluss das Tal erkundet. Hierfür empfehlen wir sowohl die Wanderung zu den Sol Duc Falls, die im Frühling eindrucksvoller als im Herbst sind. Dann führt der Sol Duc nämlich deutlich mehr Schmelzwasser als nach dem Sommer. Auch das Spazieren entlang des Flusses an den Salmon Cascades kann sich lohnen. Mit etwas Geduld lassen sich dann im (Spät-)Sommer nämlich einige der rund 1.000 Lachse blicken, die jedes Jahr zu ihrem Geburtsort flussaufwärts zurückkehren, um zu laichen.

Das mystische Cape Flattery
Allein die Fahrt nach Neah Bay ist eine Reise wert. Die Siedlung in der Makah Indian Reservation markiert den nördlichsten Punkt der kontinentalen USA. Direkt am Meer entlang windet sich die immer enger und schlechter werdende Straße hinauf in den Norden. In dem kleinen Küstenort angelangt, empfiehlt sich ein Besuch des sehenswerten Makah Cultural & Research Center Museums. Die Ausstellung informiert über archäologische Funde an der Pazifikküste und klärt über das vorkoloniale Leben der Native Americans an der Nordwestküste auf.
Noch ein paar Meilen weiter führt die Straße dann durch die Reservation bis ans Cape Flattery, wo eine kleine Wanderung durch den Wald bis an die Klippen führt. Ein wahrlich besonderer Ausblick bietet sich den Betrachtenden dann. Steile Abgründe ins tosende Meer, bizarre Felsformationen und mit hohen Bäumen bewachsene Klippen. Das Wasser umspielt dunkle Höhlen und regelmäßig sollen sich dort auch Robben aufhalten. Zusammen mit dem Nieselregen und Nebel, der sich bei unserem Besuch über das Kapp gelegt hatte, das den Eingang der Juan-de-Fuca-Straße markiert, eine wahrlich mystische Aura.

Um die Reservation zu besuchen, muss eine Permit erworben werden. Diese bekommt Ihr in Neah Bay, aber auch direkt vor dem Eingang zur Reservation auf dem Weg nach Cape Flattery. Kosten: 20$ für ein Kalenderjahr.

Die heiligen Hallen des Hoh Rainforest
Ein Regenwald, der nicht in den Tropen liegt? Wir wollten nicht glauben, dass ein nordischer Regenwald so eindrucksvoll sein kann. Und auf den ersten Blick ist er das auch nicht – ein Wald eben. Aber wenn Ihr Euch einige Meter tiefer in das Dickicht aus jahrhundertealten, verwachsenen Bäumen, Farnen und Moosen begebt, verschluckt der Wald alles. Mächtige Sitka-Fichten stehen neben grün leuchtendem Ahorn, pilzbewachsenen Böden und rauschenden Flüsse. Und überall tiefgrünes Moos, wirklich überall. Ohne Moos ist dort wirklich nichts los! Denn jede senkrechte und waagerechte Astfläche, umgestürzte Baumstämme und Felsen, alles ist moosbewachsen. Und miteinander verbunden. Im Hoh Rainforest wurde nämlich schon vor Jahrzehnten erforscht, dass Bäume untereinander kommunizieren und dafür Netzwerke aus Pilzen (Mykorrhiza) nutzen. So tauschen beispielsweise Nadelbäume überschüssige Energie durch Photosynthese im Winter mit blattlosen Laubbäumen, die sich wiederum im Sommer mit ihrer Überproduktion revanchieren. Eine solidarische Gemeinschaft über Artengrenzen hinweg, die ihresgleichen sucht.

Ein kleines Lebenswesen, nach dem Ihr Ausschau halten könnt, ist die Bananenschnecke, zu Englisch Banana Slug. Dabei handelt es sich um eine bis zu 22 Zentimeter große bananengelbe Nacktschnecke, die sich mit sage und schreibe 16 Zentimetern pro Minute fortbewegt. Sie kann oft am Wegesrand beobachtet werden, wo sie ihre 27.000 Zähne in ein saftiges Blatt haut. Mahlzeit!

Die wilde Pazifikküste
Verlasst Ihr den Hoh Rain Forest wieder Richtung Küste, ändert sich die Landschaft. Während gerade noch bis zu 60 Meter hohe Bäume und immergrünes Moos und Flechten den Blick dominiert haben, sind es jetzt endlose Sandstände. Aus dem tosenden Meer ragen bizarre Felsformationen, die von schäumender Gischt umspielt werden. Der Sand erinnert an die Karibik und das Meer hat oftmals eine grünliche Färbung. Im Herbst bleibt an vielen Tagen Dunst und Nebel über den Ufern hängen, die Sonne dringt dann nur gelegentlich durch die Wolken und taucht die Strände in ein gedimmtes Dämmerlicht. Das Land fällt zu den Stränden oft mehrere Meter ab – kein Wunder bei bis zu drei Metern Tidenhub. An den Felsenwänden der schroffen Klippen, auf denen der Wald abrupt endet, sammelt sich häufig Treibholz. An manchen Stränden wie dem Rialto Beach ist über Kilometer alles voll mit meterlangen, von dem Salzwasser und der Sonne grau gebleichten Baumstämmen.

Leben mit den Gezeiten
Die Überschrift ist im doppelten Wortsinn gemeint. Denn einerseits passt sich das Leben der Menschen den Gezeiten an der pazifischen Westküste an. Andererseits meint sie das Leben der Gezeitenpools, der sogenannten tidepools, für welche die Strände der Halbinsel bekannt sind. Bei Niedrigwasser nämlich erlaubt das Meer einen sicheren Spaziergang hinaus in die Bucht zu den Felsen, in denen sich Reste an Meerwasser sammeln. Darin tummeln sich dann Meereslebewesen wie Anemonen, bunte Seesterne, Muscheln und andere Kleintiere. Ein bisschen wie im Wattenmeer fühlt sich das an. Zum Beobachten der tidepools bieten sich der Ruby Beach und der Third Beach besonders an. Letzterer ist noch eindrucksvoller was die Felsformationen im Meer angeht. Dafür ist der Zugang zum Ruby Beach deutlich einfacher direkt vom Parkplatz aus möglich. Ohne Pools zwar, aber dafür mit endlosem Strandgefühl, wartet der Kalaloch Beach auf. Jeden Abend könnt Ihr hier beobachten, wie die Sonne im Meer versinkt.

Achtung! Lebensgefahr!
Es ist wirklich wichtig, dass Ihr den Hinweisschildern und den Gezeitentabellen an den Ranger Stations und in den Visitor Centern folgt. Die Küsten und einige ihrer Klippenabschnitte sind extrem gefährlich. Gerade in der Nebensaison sind es unberechenbare Strömungen – auch bei beginnendem Hochwasser oder eintretendem Niedrigwasser-, die lebensbedrohlich werden können. Geht niemals außerhalb der Ebbe in die Bucht hinaus zu den tidepools und wandert immer mindestens zu zweit. Das Klettern auf nassen Klippen und Felsen auch am Rand der Bucht kann schnell zu Stürzen führen, die scharfen Steine und Muscheln erzeugen unschöne Wunden. Und auch das harmlos und träge aussehende Treibholz kann durch eine plötzlich auftretende hohe Welle zur Todesfalle werden. Wir haben selbst bei Ebbe einzelne, sehr hohe Wellen beobachtet. Die Gewalt des Meeres ist hier nicht zu unterschätzen.

Die Seen der Olympic Peninsula
Nicht zu unrecht als die vergessenen Verwandten von Hoh Rainforest, Sol Duc und Hurricane Ridge bezeichnet, sind die großen Seen der Halbinsel ein Juwel für sich. Wir fokussieren unser Urteil auf den Lake Cresent und den noch malerischen Lake Quinault im Süden. Ein ebenso eindrucksvoller Regenwald wie in Sol Duc erwartet Euch an seinen Ufern. Besonders hübsch ist die Lake Quinault Lodge mit ihrer ausgedehnten Parkanlage, die sich auch für ein Picknick anbietet.
Die smaragdene Stadt
Wir haben uns die urbanen Gebiete Washingtons für das Ende unserer Reise aufgehoben. Das hatte vor allem pragmatische Gründe, außerdem wollten wir so viel Zeit wie möglich in der Natur der National Parks verbringen. Rückblickend hat diese Reihenfolge aber auch den Vorteil, dass Euch der Abschied aus dieser atemberaubenden Region nicht ganz so schwer fällt. Das Fernweh wird durch die vielen Impressionen der Metropole gedämpft. Seattle, die smaragdgrüne Stadt, haben wir in zwei Tagen erkundet. Das reicht aus für einen Überblick und hat uns einen guten Eindruck von der modernen Stadt gegeben. Erkunden könnt Ihr die City fast komplett zu Fuß. Ein Hotel im Zentrum lohnt sich also. Sehenswert ist die Hafenpromenade nahe des berühmten Pike Place Market. Letzterer hat uns übrigens wenig beeindruckt – da kennen wir deutlich schönere Markthallen. Auf dem floating pier in der Sonne haben wir aber einen frechen Seelöwen erspäht.

Space Needle und Hausberg Rainier
Rund um die Space Needle, das unumstrittene Wahrzeichen der Skyline, wird es dann bunt. Kostenlose Live-Konzerte, Imbissbuden und an jeder Ecke ein cooles Fotomotiv, eine Spiegelung und Popkultur. Den mit Abstand besten Blick auf Seattle habt Ihr aus dem Kerry Park, etwas oberhalb der Stadt. Bei klarem Wetter bereichert die Kulisse des Mount Rainier das Bild ungemein.
Unsere Empfehlung: Lasst Euch treiben durch die Straßen dieser chilligen Stadt. Ob Amazon Spheres oder Belltown-Bars, Seattle ist eine untypische amerikanische Großstadt. Weder besonders schön noch besonders dreckig oder abschreckend. Aber offensichtlich ziemlich lebenswert. Alles wirkt modern, aufgeräumt, locker und entspannt. Das Lebensgefühl der Menschen geht auf Besucher:innen über. Und auch, wenn wir die Stadt nur im Sonnenschein erlebt haben, können wir verstehen, wieso Kaffee hier so wichtig ist. Spart Euch den ersten Starbucks und geht lieber in eins der Hipster-Cafés abseits des Trubels.
In Washington werden die vulkanischen Berge übrigens oft weiblich beschrieben (she). Sie werden als Schönheit wahrgenommen, die sich manchmal zeigt. Ein bisschen veraltetet sicherlich, aber irgendwie auch charmant.

Auf den Spuren der First Nations in Vancouver
Den Abschluss unserer Rundreise durch Washington macht ein kurzer Besuch in Kanadas größter Hafenstadt im Westen: Vancouver. Hauptsächlich, um das beeindruckende Museum of Anthropology der University of British Columbia zu besuchen. Aber auch ein halber Nachmittag und Abend gaben uns zumindest einen groben Überblick über Downtown und den Stanley Park. Ganz nett, lautet unser schnelles Urteil. Vancouver ist allerdings eine Stadt, in die wir sicher noch einmal zurückkehren werden. Zumindest, um eines Tages die kanadische Westküste zu erkunden. Das Ethnologische Museum hingegen ist eines der besten der Welt. Kein Wunder, dass es von Tourist:innen regelrecht überlaufen ist. Herausragende Werke der Natives der Pazifischen Nordwestküste sind zu bestaunen. Totempfähle und Hausverzierungen bilden das Herzstück der Haupthalle, ein Schaudepot mit kleineren Ethnographica rundet die Präsentation ab. Wir empfehlen Euch den Besuch.
Die Wildnis im Gepäck
Mit nach Hause haben wir von diesem Roadtrip den Eindruck der Weite der Wildnis genommen. Nichts als Erinnerungen natürlich, aber solche, die ein bleibendes Gefühl im Körper hinterlassen.